Historie des Frankfurter Römerhofs
Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte des Römerhofs
Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert war der „Römerhof“ ein landwirtschaftliches Gut, ein Bauernhof. Er gehörte wie der Rebstock, der Hellerhof oder der Gutleuthof zu den alten Gutshöfen, deren Namen sich bis in unsere Tage in Flurbezeichnungen erhalten haben. Der Römerhof befand sich lange Zeit vor den Toren der Freien Reichsstadt Frankfurt am Main, lag aber dennoch auf Frankfurter Gebiet. Er befand sich westlich der Stadt, ungefähr auf halber Strecke zwischen Frankfurt und Höchst. Der Römerhof lag damit außerhalb der von einer Stadtmauer geschützten Kernstadt, aber innerhalb der Landwehr, eines vorgelagerten Verteidigungssystems aus Erdwällen und Zäunen, das Frankfurt vor Angriffen schützen sollte.
Die Geschichte des Römerhofs ist eng mit drei bedeutenden Klöstern in Frankfurt verbunden, zu denen der Gutshof im Laufe der Jahrhunderte gehörte: dem Weißfrauenkloster, dem Liebfrauenstift und dem Katharinenkloster. In der Geschichte des Gutshofs spiegelt sich somit die wechselvolle Geschichte der Stadt und ihrer religiösen Gemeinschaften.
Ursprünglich war der Römerhof im Besitz des Weißfrauenklosters. Im 13. Jahrhundert von Frankfurter Bürgern gestiftet, lag es in der Altstadt von Frankfurt, wurde aber durch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges zerstört. Bis zur Reformation beteten und arbeiteten im Weißfrauenkloster die Schwestern vom Orden der heiligen Maria Magdalena zur Buße. Die im Volk verbreitete Bezeichnung der Ordensschwestern, die „weiße Frauen“ genannt wurden, leitete sich von ihrem Äußeren ab, denn die Schwestern trugen eine schlichte weiße Tracht.
Nachdem ihn das Weißfrauenkloster im ausgehenden Mittelalter veräußert hatte, ging der Römerhof in den Besitz des Liebfrauenstifts über, einer Gemeinschaft von Geistlichen. Es hatte seinen Sitz an der Liebfrauenkirche, bis heute eine der bekanntesten Frankfurter Innenstadtkirchen. Das Liebfrauenstift blieb bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1803 neben dem Bartholomäusstift der einzige katholische Konvent, der sich nach der Reformation im evangelisch gewordenen Frankfurt behaupten konnte. Der Römerhof diente dem Liebfrauenstift wie zuvor dem Weißfrauenkloster zur Versorgung mit landwirtschaftlichen Gütern, zum Beispiel mit Getreide, Milch, Eiern und Fleisch.
Nach der Auflösung des Liebfrauenstifts infolge der Säkularisation wurden der Konvent und sein Besitz, zu dem der Römerhof gehörte, im Jahre 1803 von der Stadt Frankfurt übernommen. Kurze Zeit später, 1809, wurde der Römerhof vom Katharinenkloster erworben. Nach dem Weißfrauenkloster und dem Liebfrauenstift war das Katharinenkloster das dritte Kloster in Frankfurt, in dessen Besitz sich der Römerhof befand. Das Katharinenkloster, unweit der Hauptwache gelegen, war zu dieser Zeit aber bereits im Besitz der Stadt. Denn das Kloster, eine Stiftung des reichen Frankfurter Patriziers Wicker Frosch aus dem 14. Jahrhundert, ursprünglich also ein katholisches Frauenkloster, war während der Reformation aufgelöst worden. An seine Stelle trat ein evangelisches Damenstift in städtischer Trägerschaft.
Wie aber kam unser Gutshof zu seinem Namen, warum wurde er als „Römerhof“ bezeichnet? Das ereignete sich so: Nachdem das Katharinenkloster das Gelände erhalten hatte, auf dem sich der jahrhundertealte Gutshof mit seinen in die Jahre gekommenen Gebäuden befand, beschloss man, ein neues, größeres landwirtschaftliches Gut anzulegen. Das Alte sollte weichen, um Neuem Platz zu machen. Beim Bau des neuen Gutshofs stieß man auf einen alten römischen Steinsarg, der aus rotem Sandstein bestand und in dem sich die Überreste eines Skeletts befanden. Von nun an hatte der Gutshof einen einprägsamen Namen: Er war der „Römerhof“, der Hof, auf dem der alte römische Steinsarg gefunden worden war. Der Steinsarg selbst fand als Brunnentrog in Rödelheim Verwendung, das Skelett nahm der Rödelheimer Chirurg Meuler an sich. Der Name „Römerhof“ kam also erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Davor wird der Hof in Quellen „kleiner Rebstock“ genannt, weil der Hof denselben Pächter hatte, der auch das Gut auf dem Rebstock bewirtschaftete.
Die weitere Geschichte ist schnell erzählt. Das Katharinenkloster und das Weißfrauenkloster, beide in städtischer Trägerschaft, wurden mit ihren gesamten Besitzungen im Jahre 1819 zu dem St. Katharinen- und Weißfrauenstift zusammengeführt, einer bis heute wirkenden öffentlichen Stiftung, die sich um die Unterstützung bedürftiger Frauen kümmert. Der Römerhof blieb im Besitz der Stadt, die ihn weiterverpachtete. In den folgenden Jahren sollte sich zeigen, dass die Stadt damit nicht nur für den Unterhalt, sondern auch für die Anbindung des Römerhofs an das städtische Verkehrswegenetz verantwortlich war.
Die offensichtlich mangelnde Verkehrsanbindung des Römerhofs führte Ende des 19. Jahrhunderts zu Streit zwischen dem Pächter des Hofes und der Stadt. Darüber geben Magistratsakten Auskunft, die im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte lagern. Der Pächter hatte ein besonderes Interesse an einer guten Verkehrsanbindung, denn er war an der „Kehrichtabfuhr“ in Frankfurt und Bockenheim beteiligt, war also, wie man heute sagen würde, für die Müllabfuhr verantwortlich. Seine schweren Fuhrwerke sanken auf den unbefestigten, sandigen Straßen ein. Die Stadt bildete im Jahre 1896 eine Kommission, die den Zustand der Straßen und Wege zum Römerhof untersuchte, und musste einräumen, dass sich diese tatsächlich „in sehr schlechtem Zustande“ befanden. Die Kommission kam zum Schluss, „dass bei den heutigen Ansprüchen die Befestigung des Zufahrtsweges von der Mainzer Landstrasse nach dem Rebstöcker- und Römerhof auf die Dauer nicht wird zu versagen sein“. Allerdings sollten die Pächter „an den Kosten partizipieren.“ So war die Erreichbarkeit des Römerhofs schon vor mehr als 120 Jahren Anlass für erregte Diskussionen…
Im 20. Jahrhundert verlor der Römerhof aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung rasch an Bedeutung. Nach den Hungerjahren des Ersten Weltkrieges betonte die Stadt zwar gegenüber dem Kleingartenverein Kuhwald, der einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen des Römerhofs in Schrebergärten umwandeln wollte, dass der „Römerhof mit dem zu ihm gehörigen rund 60 ha haltenden Stiftungsgelände eine wirtschaftliche Einheit (darstelle), die zu zerreissen bei der Bedeutung dieses Hofes für die allgemeine Versorgung der Stadt Frankfurt a. M. nicht verantwortet werden kann.“ Mit dem Ausbau des Flughafens Frankfurt, der sich bis 1936 auf dem benachbarten Rebstockgelände befand, verschwand jedoch der Römerhof nur wenige Jahre später von der Landkarte. Heute erinnert nur noch der Straßenname „Am Römerhof“ an seine Existenz – und unser neu eröffnetes Gymnasium!
– Dr. Björn Schaal
Verwendete Literatur: Hanne Emrich, Was das Gallus bewegte, Frankfurt am Main 2008.